Hi Tilly,
Tilly hat geschrieben:Wenn ich das Wort "Evolution" benutze, dann beziehe ich mich nicht auf die kleineren Veränderungen, die in den verschiedenen Lebensformen gefunden werden (Mikroevolution). Ich beziehe mich auf die generelle Theorie der Evolution welche glaubt, dass folgende fünf größere Ereignisse ohne göttlichen Eingriff stattfanden:
1. Zeit, Raum und Materie entstanden von selbst.
2. Planeten und Sterne bildeten sich aus Weltraum-Staub.
3. Materie erzeugte das Leben von selbst.
4. Frühe Lebensformen haben gelernt, sich selber zu reproduzieren.
5. Größere Veränderungen geschahen zwischen den diversen Lebensformen (d. h. Fische verwandelten sich in Amphibien, Amphibien verwandelten sich in Reptilien, und Reptilien veränderten sich in Vögel oder Säugetieren).
Hovind versteht also die Evolutionstheorie in einem viel weiteren Sinn, als es allgemein üblich ist, denn im Allgemeinen wird damit nur die von Charles Darwin begründete Theorie bezeichnet: Die Veränderung der Lebensformen als Wirkung von Mutation und Selektion. Der stillschweigende Einbezug der Entstehung von Raum, Planeten und des Lebens führt daher schnell zu Missverständnissen über die Reichweite der Behauptungen, für die Hovind einen Beweis verlangt.
Moment mal, jemand, der die Evolutionstheorie nicht anerkennt, bestimmt, was die Evolutionstheorie ist, und sagt dann, sie sei nicht belegt, weil einige der Sachen, die
er einfach auch noch mit einbezieht, noch nicht belegt sind? SCHLAU! Nur leider komplett unehrlich. Sorry, so funktioniert das nicht.
Warum ist das so schwierig? Die Evolutionstheorie geht von einer ersten sich selbst reproduzierenden Zelle aus. Alles, was davor stattfand, ist für die Evolutionstheorie nicht relevant. Die Evolutionstheorie ist kein Weltbild, dass alles im Universum erklären will, keine Religion oder was auch immer. Es ist ein Erklärungsmodell über die Entstehung der Arten. Die Grundaussage ist, dass es einen gemeinsamen Vorfahren allen Lebens gegeben hat und alle nachfolgenden Arten durch Mutation (wobei Mutation hier für eine ganze Reihe von Mechanismen steht, die Variation erzeugen) und natürliche Selektion aus diesem einen Vorfahren entstanden sind.
Das mag Euch ja nicht passen, aber es ist so in der Wissenschaft. Eine Theorie beschreibt nur einen Teilbereich, der als Bestandteil der Theorie definiert ist. Wenn jemand beweisen könnte, dass die Erde von irgendwem zusammengebastelt wurde und dann die erste Zelle darauf gesetzt wurde, DANN HEISST DAS IMMER NOCH NICHT, DASS DIE EVOLUTIONSTHEORIE UNGÜLTIG WÄRE, DA DAS NICHT BESTANDTEIL DER EVOLUTIONSTHEORIE IST!
Ich sage ja auch nicht, die Bibel kann nicht wahr sein, weil da nicht drin steht, wie ich meine Steuererklärung machen soll.
Wenn Sie oder sonst wer tatsächlich gegen die Evolutionstheorie argumentieren wollen, dann sollten Sie schon gegen etwas argumentieren, was Bestandteil der Evolutionstheorie ist.
Und nun zur Wissenschaftlichkeit der Evolutionstheorie.
* Der Determinismus verlangt, dass die erkannten Naturgesetze stets und überall gelten.
Das ist ein Satz, der sich mehr auf Physik oder Mathematik bezieht, da in der Biologie keine Naturgesetze im Sinne von Massenanziehung oder ae2 + be2 = ce2 in einem rechtwinkligen Dreieck festgestellt werden. Aber der Begriff des Determinismus im naturwissenschaftlichen Sinn sagt im Grunde nur aus, dass Beobachtungen verallgemeinerbar sein müssen, ohne Ausnahmen. Also z.B. bei einem Organismus beobachtete "Funktionsprinzipien", die verallgemeinert werden und Bestandteil der Theorie sind, dürfen sich nicht bei einem neuen Organismus als unzutreffend erweisen.
Dies trifft auf die Evolutionstheorie zu.
* Prämissen müssen realistisch sein, d.h. nicht im Widerspruch zur allgemeinen Wahrnehmung und Erkenntnis stehen. Aus falschen Prämissen ließen sich beliebige Aussagen logisch herleiten.
Die wichtigste Prämisse der Evolutionstheorie ist, dass irgendwann Leben auf der Erde entstanden ist. Da es Leben auf diesem Planeten gibt, muss es auch irgendwann mal entstanden sein. Ich denke, das entspricht der allgemeinen Wahrnehmung und Erkenntnis.
* Folgerungen müssen dem Kausalitätsprinzip entsprechen: Ursache und Wirkung sollen nachvollziehbar und folgerichtig verknüpft sein.
Jupp. Trifft zu.
Nehmen wir eine Gruppe von 100 Individuen. Alle haben 10 Nachkommen im Lauf ihres Lebens. 7 davon sterben aus verschiedenen Gründen, 2 der 7 z.B. durch einen bestimmten Krankheitserreger. Einer aus dieser Gruppe erwirbt eine Resistenz gegen diesen Krankheitserreger. Nicht 7 seiner Nachkommen sterben, sondern nur 5. Und alle diese 5 erben die Resistenz. Während in der nächsten Generation von allen anderen jeweils wieder 7 Nachkommen sterben und 3 überleben, überleben von diesen 5 jeweils 5 Nachkommen.
Code: Alles auswählen
1...............99............1
2..............297............5
3..............891...........25
4.............2673..........125
5.............8019..........625
6............24057.........3125
7............72171........15625
8...........216513........78125
9...........649539.......390625
10.........1948617......1953125
Nach 10 Generationen trägt die Hälfte der Individuen das Resistenzgen.
Usache – Wirkung.
* Das Sparsamkeitsprinzip verlangt, unter mehreren Erklärungen für ein Phänomen die einfachste zu bevorzugen (Occams Rasiermesser)
Auch das. Die Evolutionstheorie ist eine sehr viel einfachere als die, dass ein gott dafür verantwortlich sein muss. Dazu muss man sehr viel mehr Prämissen annehmen, z.B. es gibt etwas Übernatürliches, dieses Übernatürliche kann auf die materielle Welt einwirken und dieses Übernatürliche tut das auch. Eine Wahrnehmung, die im Widerspruch zur allgemeinen Erkenntnis steht.
* Aus Thesen müssen sich experimentell falsifizierbare Aussagen ableiten lassen.
Aber definitiv. Beispiele:
- Homologien entsprechen Verwandtschaft: wäre falsifizierbar gewesen, nachdem Genomsequenzierungen möglich waren. Aber im Gegenteil, auch auf DNA-Ebene wurden und werden die Verwandtschaftsverhältnisse bestätigt.
- Es muss eine verschachtelte Hierarchie der Verwandtschaftsverhältnisse geben. Bestätigt, wiederum auch durch Genom-Untersuchungen.
- Aus der Annahme eines gemeinsamen Vorfahren ergibt sich, dass alle Organismen auf den selben Grundprinzipien beruhen. Auch hier: bestätigt. Bisher z.B. ist noch kein Organismus gefunden worden, der nicht DNA oder RNA enthält.
- Mutationen sind ungerichtet. Bestätigt zuerst durch den berühmten Lederberg-Versuch (
Replika-Platten), und in der Folge durch eine Reihe weiterer Untersuchungen.
- Es muss Übergangs- oder Mosaikformen geben: Bestätigt. Sowohl unter den heute lebenden wie auch unter den nur noch als Fossilien bekannten Tieren gibt es Zwischenstufen verschiedenster Merkmale, Organe etc.
- Neue Funde können die Evolutionstheorie immer noch falsifizieren. Beispielsweise würde die Entdeckung eines Organs, das in einer bestimmten Tierart vorhanden ist, für das aber keinerlei Homologien gefunden werden, zu einer Revidierung der Evolutionstheorie führen müssen (würde aber immer noch nicht einen Schöpfer beweisen).
* Beobachtungen müssen objektivierbar (d.h. unabhängig nachvollziehbar) sein
Aber klar. Alle Fossilfunde können beispielsweise prinzipiell von allen Menschen angeschaut, nachgemessen und untersucht werden. Versuche wie der von Lederberg können und sind tausendmal wiederholt worden. Veröffentlichungen müssen alle notwendigen Informationen enthalten, um wiederholt werden zu können und sie werden wiederholt.
Und noch was zur Wissenschaftlichkeit an einem aktuellen Beispiel.
Hier habe ich von einem sensationellen Fund berichtet, den sog. Doushantuo-Embryos.
Hagadorn JW, Xiao S, Donoghue PC, Bengtson S, Gostling NJ, Pawlowska M, Raff EC, Raff RA, Turner FR, Chongyu Y, Zhou C, Yuan X, McFeely MB, Stampanoni M, Nealson KH (2006) Cellular and subcellular structure of neoproterozoic animal embryos. Science 314(5797):291-4.
Nun ist ein Artikel herausgekommen, der zumindestens für einen der gefundenen Typen eine Alternativerklärung bietet:
Bailey JV, Joye SB, Kalanetra KM, Flood BE, Corsetti FA (2006) Evidence of giant sulphur bacteria in Neoproterozoic phosphorites. Nature advance online publication 20 December 2006.
In diesem Artikel argumentieren die Autoren, dass ein gefundener "Embryo"-Typ auch ein Schwefelbakterium sein könnte. Natürlich wäre es viel sensationeller, wenn all die gefundenen Formen tatsächlich Embryonen wären. Aber Naturwissenschaften beruhen auf Beweisen, nicht auf Wunschdenken.
Und zu beachten ist außerdem:
Die Artikel sind in den wohl angesehensten naturwissenschaftlichen Zeitschriften erschienen, die es wohl gibt (Nature und Science).
Sie erschienen mit nur wenigen Monaten Unterschied.
Die konträre Auffassung ist nicht unter den Tisch gefallen oder vertuscht worden, weil es so viel toller wäre, tatsächlich Embryonen zu haben. Es werden sicherlich auch noch weitere Untersuchungen folgen, die vielleicht das eine oder das andere oder eine weitere Alternative vertreten.
DAS ist Wissenschaft.
Auch
hier nachzulesen (von einem Evo-Devo-Biologen, zum gleichen Thema).
Und nun zu ID. Wie wäre es, wenn Sie eine ähnliche Liste für ID machen würden. DAS wäre mal wirklich interessant.
MfG, biologe2
HI-Viren bei 240.000-facher Vergrößerung.