Ich habe eben gerade im Bus viel nachdenken müssen. Über Gott und meine Sicht darüber. Bzw., warum sich in dem letzten Monat eine komplette Wandlung diesbezüglich vollzog, was mich dazu bewegte, was ich darüber denke, wie ich fühle.
Ich verspüre das dringende Bedürfnis irgendwem diese Gedanken mitzuteilen, ein Prophet mit dem Namen "google" führte mich letztendlich hierher. ;) In meinem privaten Umfeld findet sich wohl traurigerweise niemand, dem ich das in dieser Form ohne ein gewisses Schamgefühl erzählen könnte. Soweit ist es also mit der Religion heutzutage, dass man sich bereits komisch dabei fühlen kann, über den eigenen Glauben zu reden =(
WARNUNG: Ich habe ein persönliches Problem, um das ihr schätzungsweise nicht herumkommen werdet, wenn ihr das hier lesen möchtet. Ich habe die "Krankheit" namens Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom. Erfahrungsgemäß wird das sich im Folgenden dermaßen äußern:
- dieser Text wird wieder einmal abnorm lang werden, da ich eine riesige Unmenge an spontan entstandenen Gedanken und Ideen auf einen Schlag unbedingt unterbringen möchte
- der Text wird in einem unvorbereiteten, komplexen Gedankenfluss entstehen - die Art meines Gedankenflusses ist jedoch für viele "gesunde" Menschen schwierig in Gänze nachzuvollziehen. Ich persönlich bin mir der Sinnhaftigkeit meiner Gedanken sicher in diesen Fällen, habe jedoch oft Probleme, die in ein für andere möglichst zugängliches, "werbewirksames" Paket zu verpacken
Zusammengefasst: Ich schätze, das wird nicht so leicht zu verdauende Kost für die meisten werden. Ich habe oft Probleme den Wert meiner Gedanken sinnvoll zu präsentieren, weil aus genannten Gründen der Leser oft dazu tendiert, sein Interesse zu verlieren, bevor er interessante Informationen überhaupt wahrgenommen hat.
Insofern schon hier ein Danke an alle, die sich dieser intellektuellen Tortur stellen wollen und ein wenig Wert in der Mühe sehen, die ich hier hineinstecke. Ich wäre schon über einige, wenige differenzierte Meinungen dazu bzw. schlicht etwas Gehör sehr glücklich. Die genannte Problematik wird desweiteren thematisch noch eine Rolle spielen.
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Wie der Titel schon bereits andeutet war ich viele Jahre meines fast 30-jährigen Lebens nicht gläubig. Ungefähr im letzten Monat hat sich das langsam verändert und so langsam muss ich akzeptieren, dass ich nun wohl recht spontan gläubig geworden bin. Zugegebenermaßen noch eine etwas verwirrende Erfahrung für mich zum jetzigen Zeitpunkt...
Nun, in Wirklichkeit war es nicht immer so. Als kleines Kind war ich sehr gläubig, habe jeden Abend alleine gebetet. Im Endeffekt bin ich wohl nur wieder ein wenig mehr zum Kind geworden (Wer die Bibelanspielung findet, darf sie behalten ;) )
Aber kehren wir zunächst wieder zurück zur Zeit der "Ungläubigkeit" in meinem Leben.
Ich bin studierter Naturwissenschaftler, genauer Biologe. Ich habe flüchtig gesehen, dass hier einiges an naturwissenschaftlichen Themen ebenfalls diskutiert wird, ich denke, ich werde dort auch gelegentlich mal an meinem Wissen teilhaben lassen.
Jahrelang suchte ich meinen Halt in der rationalen Welt der Logik, der sauberen Beweisführung der Naturwissenschaften. Ich empfand stets ein Bedürfnis, die Welt verstehen zu wollen und sah in den Naturwissenschaften eine Disziplin, die sich bestmöglichst von vorurteilsfreien, möglicherweise fehlerbehafteten Erklärungen distanzieren kann. Nach wie vor denke ich so, jedoch glaube ich an einen gewissen Rahmen, in dem dies möglich und gültig ist, während sich Glaube außerhalb dieses Rahmens bewegt. Ich sehe und sah deswegen auch nach wie vor die Naturwissenschaft nicht als Widerspruch zum Glauben, um das hier nochmal ausdrücklich deutlich zu machen.
Über die Jahre war mein Bild des Glaubens ein durchwachsenes, tendenziell eher negatives. Ich nutze den Begriff des Agnostikers bewusst, um mich von einer gegenüber dem Glauben allgemein feindlich gesinnten Philosophie eines Atheisten etwas zu differenzieren. Ich habe nie Abscheu gegenüber Gläubigen an sich empfunden, genausowenig wie ich jegliche andersartige Glaubensrichtung oder Überzeugung verurteilte, wenn ich den Eindruck hatte, dass sie individuell für denjenigen einen sinnvollen Zweck erfüllt. Ich habe bis jetzt noch keinen Eindruck, mit welchem "Konservativitätsgrad" ich es hier zu tun habe. Ich weiß nicht, wie extrem die Ausrichtung der Menschen in diesem Forum ist, wie "fanatisch" manche sein mögen, wie meine Worte wohl aufgenommen werden, ob sie dem ein oder anderen ungewollt provokativ erscheinen mögen. Ich möchte hiermit nocheinmal diese tolerante Einstellung meinerseits explizit betonen: Egal, woran du glaubst, ich respektiere deinen Glauben in seiner vollen Gesamtheit. Ich sehe keinen Sinn darin, zu "konvertieren", ich sehe lediglich einen Sinn in einem Austausch auf Toleranzbasis. Unterschiedliche Sichtweisen bringen Vorteile mit sich, denn sie ermöglichen Anregungen zum Nachdenken. Damit das möglich wird und man vom Austausch über Glauben einen persönlichen Vorteil ziehen kann, muss jedoch unbedingt eine gegenseitige Toleranz, Akzeptanz und uneingeschränkte Wertschätzung der anderen Meinung vorliegen. Religiöse Fanatiker, die dieses Verständnis des Glaubensaustausches durch eine emotionale Überreaktion quasi durch den Dreck ziehen sind in meinen Augen genau jene Auslöser, die ein schadhaftes Verständnis von Glauben in die Welt streuen. Jeder, der für sich in Anspruch nimmt, wirklich glaubensnah zu sein, sollte das meiner Meinung nach sofort verstehen können.
Dieses oben genannte, negative Bild des Glaubens beruhte auf Dingen, die ich nach wie vor auch jetzt noch so wahrnehme: Die allermeisten Menschen, auch viele, die sich selbst als sehr gläubig sehen haben in meinen Augen kein sinnvolles Glaubensverständnis. Nach dieser Betrachtungsweise offenbaren sich vor allem auf einer rein rationalen Ebene vornehmlich negative Aspekte des Glaubens: Man betrachtet fast nur religiöse Konflikte, Kriege, Machtmissbrauch des Glaubens in der Vergangenheit, Gedankenlosigkeit die solchen ermöglicht, einschränkend empfundene Verhaltensregelungen deren Sinn nicht nachvollziehbar erscheint.
Und so überlagerte meine Lebenserfahrung meinen Glauben mit einer Menge Eindrücken, die mich zu dem folgenden Schluss führten: Glauben ist ein gesellschaftliches Konstrukt. Seine Ursprünge sind in historischen Ursachen zu suchen, seine Auswirkungen in der modernen Welt vorwiegend negativer Natur.
Ich entwickelte eine Philosophie von Gott, die ihn als Modellvorstellung ähnlich einer wissenschaftlichen Theorie charakterisierte. Spuren davon sind wohl noch in meinem jetzigen Denken vorhanden. Gott war für mich ein "veraltetes" Erklärungsmodell natürlicher Phänomene, die bestmöglichste zur Zeit verfügbare Möglichkeit, etwas Unerklärbares wie Leben anschaulich zu machen. Wenn ich "Gott erschuf alles Leben" als Antwort auf die Frage nach der Entstehung von Leben betrachtete, so dachte ich jedoch immer einen Schritt weiter:
Wenn Gott alles Leben erschuf, wer erschuf dann Gott?
Und so erschien mir bis dato die Gottfrage lediglich als vereinfachende Kurzschlussantwort auf eine unmöglich zu begreifende Frage: "Wir sind, weil Gott uns erschuf. Punkt. Fall abgeschlossen. Denk nicht weiter drüber nach." Schön einfach, wunderschön scheinlogisch als Begründung in sich.
Der rationale Schluss aus emotional unbeeinflussten Überlegungen lautete folglich: Glaube scheint antiquiiert, im heutigen Gesellschaftsgefüge als Leitsatz nicht mehr zeitgemäß, die Bibel als historisch andererorts entstandenes Menschenwerk (auf die Gefahr hin, hier einigen vor den Kopf zu stoßen: Ich betrachte sie nach wie vor als eindeutig von Menschenhand geschrieben. Siehe Anmerkungen zur Toleranz von Meinungen)
Ich sprach bereits den Rahmen der Naturwissenschaften an, und dass ich meine, dass Glaube sich in einem anderen bewegt.
Das will ich mit den Erkenntnissen und den Gedanken der letzten Zeit ausführen: Nach meiner jetzigen Auffassung sind die beiden vollkommen getrennt zu betrachten. Die Naturwissenschaften beschreiben eine rationale Herangehensweise an Wissen, die größtmöglichste Elimination von emotionalen Faktoren zur Urteilsbildung. Der Rahmen der Naturwissenschaft ist die Ratio, der Verstand. Ein sich selbst erzeugendes "Gesetzeskonstrukt", das als solches nur funktionieren kann, wenn die grundlegenden Gesetze eingehalten werden. Logik ist sozusagen ein festgelegtes Regelwerk - dessen Grenzen durch seine Einhaltung festgesteckt sind. Wer dieses "Regelwerk" methodisch verlässt, der bewegt sich nicht im Rahmen der Wissenschaft und dessen, was sie erreichen möchte.
Glaube hingegen jedoch ist quasi Animus - ein emotionales Konstrukt, wie ich nun meine zu erkennen. Es ist ein ganz anderes Gebiet in meinen Augen. Widersprüche und Konflikte sind nur da zu finden, wo sich Menschen beider Gebiete den Grenzen diesen unterschiedlichen Rahmen nicht voll bewusst sind.
Und deswegen meine ich auch, dass man niemanden vom Glauben "überzeugen" kann. Konvertierung - das erzeugt in meinen Augen einen "Scheinglauben". Es ist quasi Manipulation, es zwängt Menschen mit psychologischen Hilfsmitteln die Illusion auf, sie wären wirklich gläubig geworden. Tatsächlich zeigen mir jedoch meine Überlegungen und Erfahrungen nun: Glaube muss in jedem selbst entstehen. Man kann jemandem zwar aufzeigen, dass man mit sich selbst und seinem Glauben im Reinen ist, etwas sinnvolles darin sieht - nie jedoch kann man "überreden", genauso zu werden. Das wäre ein Versuch, Logik heranzuziehen - ein Versuch der imho scheitern muss.
Ich will etwas näher erläutern, was mich zu dieser Ansicht bewegte. Allen voran die Erfahrung, dass meine Änderung im Glauben kaum logisch greifbar erscheint. Jeglicher Ansatz, zu versuchen, es mir auf rationaler Ebene erklären zu wollen erzeugt in mir ein deutliches Gefühl, dass es einfach unpassend wäre so zu denken. Es erzeugt in mir das Empfinden, dass mich diese Reduktion auf eine rationale Erklärung in exakt jenem Zweck beschneiden würde, den es für mich persönlich in seiner Essenz bieten soll: Ein Gefühl des Wohlempfindens ohne jegliche, rational erklärbare Basis.
Und so war auch eine solche rein emotionale, rational schwer begreifbare Erfahrung Auslöser für die Änderung meines Denkens in Bezug auf Gott. Wenn ich wollte könnte ich rationale Ansätze suchen in meiner Lebenssituation, die diese Reaktion erklären könnten - verzichte aber aus genannten Gründen bewusst darauf. Die Erklärung von der (erneuten) Entstehung meines Glauben wäre eine chaotische Verwüstung und Vermischung der oben angesprochenen Rahmenbedingungen.
Ich sprach zuvor mein persönliches Problem mit dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom an. Das ist etwas, das mir in die Wiege gelegt wurde und es existiert schon seit ich denken kann. Aus genau diesem Grund merkte ich auch nie, dass diese Besonderheit existierte - für mich selbst war die Situation ja immer "normal" und hatte nie Auswirkungen, dass mich irgendwer dafür zum Arzt geschickt hätte. Probleme ergaben sich daraus eher unbemerkt im Umgang mit anderen auf einem oberflächlichen Niveau. Ich habe eben eine geringfügig andere Erfahrungswelt als andere Menschen. Diese Unterschiede erschweren oft die Kommunikation mit Menschen, die keinen Zugriff auf diese Erfahrungswelt haben, weil sie nur ihre eigene Version wahrnehmen - genau wie ich nur meine eigene wahrnehme. So erzeugt dieses Missverständnis kleine Reibereien - weil jeder von seiner Wahrnehmung gleich überzeugt ist.
Ein Beispiel zum Verständnis der grundlegenden Natur dieser Dinge: Damit verbunden sind zB Gedächtnisprobleme. So vergesse ich zum Beispiel Dinge wegzuräumen (bin generell unordentlich veranlagt dadurch). Ich kann mich nicht daran erinnern, es liegen gelassen zu haben, für mich ist das Liegenlassen quasi nie geschehen und daher bewerte ich es auch nicht besonders. Ich hatte nie eine unlautere Absicht dahinter, es wr keine Faulheit, es war nicht der Gedanke, jemand anders macht das schon. Ich entschuldige mich dann flüchtig, falls es jemanden gestört hat, nehme es generell jedoch nie so störend wahr wie andere. Für mich war Unordnung immer gewissermaßen normal und ich besitze keinen Antrieb, Ordnung zu halten. In den meisten Fällen hatte es auch nie einen sinnvollen Zweck, außer ein Gefühl des Ordnungsbedürfnis zu befriedigen, das ich nie besaß. Und so war mir oft nicht bewusst, wie andere es auffassen wenn ich bei ihnen etwas liegen lasse und habe mich auch nie komplett einfühlen können, wo ihr Problem damit war. Resultat: Ich erscheine oberflächlich nicht nur zu faul zum Aufräumen (was in Wirklichkeit eher Vergesslichkeit und schneller Aufmerksamkeitswechsel ist) sondern ich habe auch noch wenig Mitgefühl für andere in ihren Augen. Und so waren dann die Reaktionen auch in ihrer Intensität selten komplett nachvollziehbar, oft fühlte ich mich durch Verhalten anderer angegriffen, weil ich sie durch unbemerktes Verhalten in eine aggressive Stimmung versetzte. Wenn man die Ursache nicht versteht, so entstehen die Konflikte daraus dass man keinen Fehler bei sich sehen kann, folglich den Fehler bei anderen sucht.
Und so entwickelte sich eine zunehmende Verbitterung in mir, eine gewisse Misanthropie durch die Engstirnigkeit die ich bei anderen zu sehen meinte. Es begann der zwischenmenschliche Teufelskreis - denn wie man über jemanden urteilt, so verhält er sich dann oft auch entsprechend.
Und als ich in letzter Zeit wegen anderer Probleme die Diagnose im Erwachsenenalter erhielt und Erklärungen bekam für ein Problem, dass ich nie verstanden hatte aber immer verborgen präsent war ergab sich auch diese Änderung in meinem Glauben. Letztendlich waren es genau jene Probleme im zwischenmenschlichen Umgang, die Thema jener Therapiesitzung an diesem Tag waren. Inzwischen war mir längst weitestgehend bewusst, wo die wahre Problematik lag, ich musste die Teile nur noch ins Gesamtbild einfügen.
So setzte ich mich in der Vorbereitung daheim hin und überlegte intensiv, wie meine Probleme zu erklären seien - und wo die Lösung dafür liegen könnte.
Die Lösung nach diesen Überlegungen empfand ich am besten zusammengefasst in einem Zitat aus der Bibel, dass ich noch im Kopf hatte: "Richtet nicht, auf das ihr nicht gerichtet werdet." So kurz und knapp, so ausgelutscht im Sprachgebrauch, dass sein innerer Wert inzwischen verramscht wurde. Bekannt war mir das immer schon, die Schwere seiner Bedeutung wirklich "gefühlt" habe ich jedoch erst in diesem Moment.
Und so kam es dazu dass ich dieses Zitat auch in der Sitzung ansprach. Ich wurde gefragt ob ich dafür extra in die Bibel geschaut habe und Ich wollte etwas sagen wie "Nein, ich bin ja nicht gläubig". Heraus rutschte mir jedoch ein Versprecher, ich sagte stattdessen: "Nein, ich bin ja nicht glücklich." Etwas verwirrt korrigierte ich mich und setzte das Gespräch fort.
Als ich auf dem Nachhauseweg Zeit zum Nachdenken hatte schweiften meine Gedanken zurück zu diesem Versprecher. Bereits in jenem Moment empfand ich das Gesagte als unheimlich, nun jedoch wurde ich überrascht von der Intensität der plötzlichen Emotionalität, die die Erinnerung an diese Situation in mir auslöste. Ich hatte auf der Straße tatsächlich konkret mit den Tränen zu kämpfen ohne einen rationalen Grund zu sehen warum das so war. Ich fragte mich, wieso ich auf diese Kleinigkeit so reagiere. Es war nicht wirklich die Aussprache von mangelndem Glück, die mich bewegte. Im Prinzip war ich mir ja jederzeit bewusst, dass es mir momentan besser gehen könnte. Nein, es war irgendwie eher das Gefühl, dass das von sehr tief unten zu kommen schien und die Verwechslung gefühlt mehr als nur einen zufälligen Charakter zu besitzen schien. Das Gefühl schmeckte sehr bitter nach: Ich bin unglücklich weil ich nicht mehr gläubig bin. Mein Verstand lief währenddessen Amok gegen diese Gedanken, es stand in starkem Kontrast zu allem was ich glaubte über mich zu wissen.
Dieses Erlebnis wühlte längst verdrängte, uralte Erinnerungen in mir auf. Ich fragte mich: Wann genau habe ich eigentlich aufgehört zu glauben und warum? Die letzten Fragmente der Erinnerung an Glauben finde ich im Kindesalter. Es kamen auf einmal wirklich Erinnerungen hoch, die ich komplett vergessen oder verdrängt hatte: Häufig war die Thematik meiner Gebete in meiner Kindheit, dass ich Gott darum bat, mich endlich glücklich zu machen. Ich glaube, ich war als Kind oft unglücklich und die schleierhaften Erinnerungen zusammen mit meinem jetzigen Wissen darüber lassen Schlüsse zu, dass die Ursaches meines kindlichen Unglücks auch ohne mein damaliges Wissen in dieser Krankheit zu finden sein könnten.
Ich meine die Antwort gefunden zu haben, warum ich irgendwann nicht mehr glaubte: Meine Gebete als Kind änderten nichts. Ich empfand im kindlichen Denken irgendwann Frustration darüber, nicht gehört zu werden. Ich glaube, das ist tatsächlich die Wurzel davon. Ich glaube inzwischen, alles was später kam diente nur, diese "Erklärung" zu verfestigen und meinen "Trotz" vor mir selbst zu verbergen.
Am Anfang wehrte sich mein Verstand noch heftig gegen die Rückkehr zum Glauben. Auch wenn ich mich bereits dort bewusst fragte, ob das der Anfang davon sei, so sagte ich mir dennoch, es sei lediglich eine spontane, emotionale Reaktion gewesen. Einmal drüber schlafen, dann würde sich das wieder legen. Dennoch entstand ein spontaner Entschluss: Ich werde mir am nächsten Tag die Bibel kaufen - absurderweise.
Ich wusste nicht genau wieso, mein Verstand gab mir erneut sinnvolle rationale Gründe, zB dass es ja eigentlich eine Bildungslücke ist, eines der weltweit wichtigsten Bücher nie komplett gelesen zu haben. Alleine rein informativ und bildungstechnisch eine lohnende Investition dachte ich mir.
Und so informierte ich mich un besorgte mir die Elberfelder Übersetzung - eine möglichst wortgetreue und textnahe Fassung da ich möglichst wenig der ursprünglichen Bedeutung auf dem Übersetzungsweg verlieren wollte. Eine gute Entscheidung wie sich herausstellte. Viele Informationen sind darin zu finden, die mir in anderen Fassungen wohl verschlossen geblieben wären. Einige Anmerkungen, Anregungen zur weiteren Recherche, alternative Übersetzungsmöglichkeiten die zusammen ein sehr viel tiefgründigeres Bild der Bibel abliefern als ich das bisher wahrgenommen hatte. Ich habe bereits viel lernen können - über die Fehlübersetzung "Jehova" zum Beispiel. Eigenheiten der hebräischen Sprache, Doppeldeutigkeiten des hebräischen Wortes "Adom" zB die im Originaltext sicher bewusst als Stilmittel eingesetzt wurden, in der Übersetzung ohne Reflektion jedoch untergehen.
Die Bibel entpuppt sich als wesentlich interessanter als ich gedacht hatte - ich befürchtete, schnell gelangweilt zu werden, sie als altertümlich (gerade auch wegen der nahen Übersetzung am Original) und anstrengend zu empfinden. Nein, sie hat neben einem erstaunlich hohen "Unterhaltungswert" wie ich es mal nennen will auch einen enorm hohen Bildungswert und regt viel zum Nachdenken und interpretieren an.
Die Bibel zu lesen verstärkt auch meinen oben beschriebenen Eindruck einer Verfälschung des Glaubens. Vieles daraus kennt man ja, fast alles hat man schonmal irgendwie mitbekommen. Aber doch quasi nie im Originaltext gelesen - ich zumindest außerhalb von Pflichtlektüre in der Schule etc. nicht.
Und irgendwie erweckt es den Anschein, als sei nur das ein sinnvoller Zugang dazu - sich es selbst anzuschauen, eigene Gedanken dazu zu machen anstatt von anderen vorgekaut zu übernehmen. Ich glaube da liegt der Wert der Bibel - in einem selbst, nicht unbedingt in dem, was andere darin sehen.
Sie macht mir wie gesagt bewusst, dass mein Glaubensverständnis stark negativ geprägt durch eine missverständliche Auffassung von Selbigem wurde. Ohne einen eigenen Glauben zu entwickeln übernimmt man die möglicherweise nicht ganz optimalen Vorstellungen anderer davon, ohne sie jemals selbst hinterfragt zu haben. Ich möchte euch ein konkretes Beispiel aus der Bibel nennen, wo mir dies sehr deutlich aufgefallen ist:
Diese Stelle ist der Ursprung des Wortes "Onanie" wie ihr eventuell wisst.Gen 38,6 Juda nahm für seinen Erstgeborenen Er eine Frau namens Tamar.
Gen 38,7 Aber Er, der Erstgeborene Judas, missfiel dem Herrn und so ließ ihn der Herr sterben.
Gen 38,8 Da sagte Juda zu Onan: Geh mit der Frau deines Bruders die Schwagerehe ein und verschaff deinem Bruder Nachkommen!
Gen 38,9 Onan wusste also, dass die Nachkommen nicht ihm gehören würden. Sooft er zur Frau seines Bruders ging, ließ er den Samen zur Erde fallen und verderben, um seinem Bruder Nachkommen vorzuenthalten.
Gen 38,10 Was er tat, missfiel dem Herrn und so ließ er auch ihn sterben.
Mir war der Ursprung des Wortes bewusst, aber nie zuvor wurde mir der Zusammenhang seiner Bedeutung so klar. Man verbindet die Kirche mit Wissen wie die Verurteilung von Masturbation. Die absurden Behauptungen, Onanie löse Krankheiten, Blindheit oder dergleichen aus. Die altertümlichen Apparaturen die Masturbation verhindern sollten.
Wie das alles entstanden ist wird mit dieser Stelle sehr klar: Onan lässt den Samen verderben. Er wurde vor Gott sündig dadurch und musste sterben.
Zunächst erscheint der Schluss oberflächlich sinnvoll: In der Bibel steht, Onanie ist eine Sünde. Gesetz wurde gesprochen, ist demnach zu befolgen, sogar die Todesstrafe sah Gott für den Bruch damit vor.
Das bleibt als Eindruck von der Kirche mit einem nur oberflächlichen Religionsverständnis in den meisten Menschen wie auch zuvor bei mir übrig: Eine altertümliche Moralvorstellung, vollkommen ohne gehaltvolle, sinnvolle Basis. Die stupide Verurteilung von Masturbation aus heutzutage weder begründbaren, noch aus gewisser Distanz irgendwie nachvollziehbaren Hintergründen.
Nun, ich interpretiere diese Stelle etwas anders nachdem ich sie im Original gelesen habe. Ich halte das Masturbationsverbot schlicht für ein religiöses Fehlverständnis dieses Abschnittes. Man denke sich in die Entstehungszeit hinein, an den Ort im alten Israel mit den vorherrschenden Gesetzen. Das ist auch Wissen, dass ich erst vor Kurzem darüber erlangte:
Das Erstgeborenenrecht ist in der Bibel ein wiederkehrendes Thema im alten Testament. Keine Garantie auf die Korrektheit der Zahlenwerte aber sinngemäß korrekt wiedergegeben spiegelt sich hier ein Teil des Erbrechtes im alten Israel wieder. Dem erstgeborenen Sohn entstand ein Vorteil von Anrecht auf zweidrittel der Gesamterbschaft. Und deswegen wurde ihm ein besonderer Status nicht nur gesellschaftlich, sondern auch in der Behandlung zu Teil.
Mit diesem Wissen im Hinterkopf - ein vermutlich größtenteils unbekanntes Wissen im Mittelalter, in einer Zeit in der die wenigsten Europäer ausführliche Informationen in Bezug auf alttestamentarische Rechtssprechung in Israel besessen haben dürften - wo liegt denn da nun rein gefühlsmäßig die wahre Sünde?
Klingt mit diesem Wissen die Annahme wirklich sinnvoll, dass der physiologische Prozess des Samenergusses ohne Beischlaf (von vielen Sündern in der Nacht ungewollte begangen) eine todeswürdige Sünde im Auge Gottes darstellt?
Oder ist es vielleicht in Wahrheit eher der Verrat an seiner Familie aus eigennützigen Beweggründen, sich in der Folge zu bereichern, die Onans Sünde hier beschreibt?
Genau deswegen denke ich: Man muss sich damit komplett ungeachtet der allgemeingültigen Meinung darüber auseinandersetzen und sich in Eigenintitiative ein persönliches Bild davon machen. Nur dann kann man auch ein sinnvolles Religionsverständnis erlangen denke ich mir.
Denn das ist was unsere Religion in meinen Augen heutzutage ist: Eine über Jahrtausende durch viele Meinungen, Interessen und Münder gewanderte Botschaft. Jeder kennt das Spiel "stille Post", jeder weiß wo es endet. Am besten geht man möglichst weit zum Anfang zurück und hört sich an, was der nun im Origiginalton gesagt hat. Ansonsten dürfte das Ergebnis klar sein.
Ich meine - wie groß schätzt ihr so den prächtigen spirituellen Wert, die wahre Aussagekraft, die tiefgründige Weisheit ein, die in einem Verzicht auf das Massieren eigener Geschlechtsteile aus Gottesfurcht besteht? Zynisch gesprochen: Ganz sicher ist das eine so niederträchtige, menschenverachtende und respektlose Handlung, dass er es alttestamentarisch als würdig der Todesstrafe betrachtete. Provokant gefragt: Wer sagt hier wirklich das, was nicht-Gläubige in ihrem Religionsverständnis häufig als Unsinn empfinden? Die Bibeltexte oder Menschen, die sie auslegen?
Diese ganze Ritualisierung, Dogmatisierung, Festhalten an wortgetreuer Auslegung, Mechanisierung des gesamten Glaubensprozesses - ist das von Vorteil für die spirituelle Botschaft, die dahinter steckt?
Wird der ritualisierte Zwang zu beten, regelmäßig in die Kirche zu gehen, bestimmte geschriebene Regeln wortgetreu auszuführen ohne darüber gedanklich zu reflektieren, das blinde, gehorsame Verhalten und die Furcht vor Bestrafung durch Gott dem Herzen des Glaubens in euren Augen wirklich gerecht?
In meinen Augen ist das komplett andersherum zu sehen. Es hinterlässt den Gesamteindruck bei vielen Menschen, der Glaube sperre sie ein, behindere in der Freiheit. Anstattdessen sollte er aber vielleicht in Wirklichkeit als Befreiung wahrgenommen werden? Als ein Gefühl, das eigene Handeln im spirituellen Sinne sei ein Ausdruck der Befreiung von genau jenen Zwängen, die unsere Umwelt uns aufzuerlegen scheint. Was geschieht, was andere machen muss uns nicht weiter einengen in dem Urteil über unser Handeln - wenn wir wissen, dass wir in dem was wir tun einem höheren Zweck dienen, der momentan nicht offensichtlich sein muss?
Ich betrachte genannte Dinge als Relikte des Christentums zu einer Zeit, in der es zu einem Machtinstrument missbraucht wurde. Jahrhunderte wurde der Glauben als Werkzeug verwendet, Gesetze aufzustellen, die möglichst kritiklos befolgt wurden - im Namen Gottes. Die Autorität Gottes rechtfertigt ein ungefragtes Hinnehmen von Einschränkung der Freiheit indem sie genau jene ursprünglichen Gedankengänge im Machtinteresse von Menschen pervertierte.
Die zunehmende Abkehr von Religion in unserer Gesellschaft betrachte ich als direkte Konsequenz dieser Geschichte unserer Religion. Für viele entschleierte die Säkularisation und der Machtverlust der Kirche diese Perversion. Es ist der vorherrschende Gesamteindruck, intensiv genug alles zu überlagern, was jemals an Sinnhaftigkeit im religiösen Gedankengut vorhanden war.
In meiner jetzigen Sicht ist nicht die Religion an sich veraltet - lediglich die Methoden mit denen sie weitergegeben wird. Die verborgenen Erkenntnisse darin sind zeitlos. Sie können nicht veralten, sie können nur falsch oder garnicht wahrgenommen werden.
Ich kann nur empfehlen - löst euch vom geschriebenen und gesprochenen Wort. Ich betone erneut meine Ansicht, dass Glaube ein Gefühl ist, kein Wissen, keine Sammlung rationaler Informationen in Form von Worten. All das sind in meinen Augen lediglich Vehikel - der Versuch anderer, auszudrücken was sie fühlen. Wenn ihr jedoch blind seid für das Gefühl, so wie ich zuvor nur den logischen Inhalt der Worte verstehen wollt, nicht nachfühlen könnt, was diese Menschen mitteilen möchten, dann glaube ich nicht, dass ihr wirklich einen Eindruck davon erlangen könnt was Glaube in seiner Essenz ist.
Und wenn man sich auf diese Weise mal etwas übergreifend auch mit den anderen Religionen auseinandersetzt - so stößt man auf Gemeinsamkeiten. Sie sprechen eine unterschiedliche Sprache, die in der Essenz etwas sehr ähnliches auszudrücken versucht. Und in allen Religionen gibt es die Menschen, denen das Gespür dafür fehlt. Denkt ihr wirklich, dass es der tiefgründigeren spirituellen Botschaft des Korans gerecht wird, sich in die Luft zu sprengen und möglichst viele Christen dabei zu töten?
Wie stellt ihr euch Gott vor? Auch wenn die Bibel schrieb, er erschuf den Menschen nach seinem Abbild - ich empfinde die Vorstellung zu banal. Ein Wesen, mächtig genug der Welt Existenz zu geben, gleichzeitig ein bärtiger Mann mit seinen ganz eigenen Spleens, wie zB der Eigenheit, einzelne Leute fürs Masturbieren zu töten? Mit menschlichen emotionalen Auswüchsen wie Zorn, Bestrafung und den ganzen anderen Emotionen? Jemand, der über euch urteilt wenn ihr euch nicht tagtäglich zum Gebetsritual verpflichtet, zum Kirchengang, zu all diesen Verpflichtungen zum Gehorsam? Jemand, von dem ihr eine Gegenleistung für euren Gehorsam, eure Gebete verlangen könnt und der je nach Stimmungslage entscheidet, ob euch dieser Wunsch erfüllt wird oder nicht?
Dieser Gedanke war im Prinzip lange Zeit ein ganz massiver Störfaktor für mich, Gott so zu akzeptieren. Das Bild, das ich von Gott erlernt hatte erschien mir schlicht viel zu platt um auf mich glaubwürdig zu wirken. Es besitzt alle Charakteristika einer menschlichen Fantasiegestalt. Eine idealisierte Ikone des Führerprinzips, wenn man so will. Er war für mich immer eine Verbildlichung von sehr primitiven Vorstellungen rein menschlicher Natur. Das mag für manch einen funktionieren, für mich hatte es das nie.
Ich glaube für mich persönlich nicht an irgendeine Möglichkeit der bildhaften Darstellung des Gottesprinzips, es erscheint mir einfach zu simpel.
Moment... da klingelt gerade irgendwas. Wie lautete nochmal das zweite Gebot? Ja, was will man uns eigentlich mit dem Abbildungsverbot genau mitteilen? Vielfach historisch missachtet scheine ich nicht so ganz der einzige mit dieser Frage im Hinterkopf zu sein.
Ich dränge mal einfach die Reste einer theologischen Erklärung in meiner Erinnerung beiseite. Irgendetwas über die Zeit der Entstehung des Christentums, der symbolischen Bedeutung von Götzenbildern in dieser Zeit, das Christentum als Konkurrenzprodukt polytheistisch geprägter Kultur und das Gebot als Kampfansage.
Nein, ich versuche mal zu tun, was ich oben beschrieb, die Logik fallen zu lassen, das Gebot auf mich wirken zu lassen, zu fühlen, was es für einen Eindruck für mich persönlich hinterlässt.
Die Vorstellung eines Gottesbildnis erzeugt in mir das Gefühl einer Distanzierung von Gott durch seine Personifikation in Form einer Statue oder Ähnlichem. Sie erzeugt in mir das Gefühl, dass Gott im Tempel steht, in Form dieser Statue und dass ich mit Verlassen des Tempels gleichsam auch Abstand zu Gott gewinne. Im Tempel fühle ich mich beobachtet durch Gott, durch seine personifizierte Anwesenheit. Ich bekomme den Eindruck ich müsse hier auf meine Handlungen besonders acht geben, um Gott nicht zu erzürnen. Die Personifikation von Gott ermöglicht mir, zu ihm zu kommen wenn ich ihn brauche und ihn zu verlassen wenn ich keine Lust auf ihn habe. Ich kann meine Anliegen in Gebetsform vor seiner Statue vortragen, ich kann meine Probleme von einem personifiziertem Wesen unkompliziert lösen lassen. Ich gehe ja in den Tempel, bete zur Statue. Wieso sollte ich die Lösungen in mir selbst suchen, wenn da eine eindrucksvolle mächtige Goldstatue im Tempel steht, die mir das Gefühl gibt, all dies von mir zu nehmen?
Das Gefühl verbinde ich stark mit den Erinnerungen aus meiner Kindheit - die Personifikation des Glaubens als Möglichkeit, Forderungen zu stellen. Die Mechanisierung von religiösen Handlungen zur zweckdienlichen Anwendung. Auf einen personifizierten Gott, ja gar eine Statue kann ich mit dem Finger zeigen wenn meinen Forderungen nicht nachgekommen wird. Glaube wird greifbar, mein Glaube wird externalisiert in Form einer andere Person. Ich forme den Glauben, der mir positive Gefühle verschaffen sollte sozusagen um zu einem Sündenbock. Anstatt dass der Glaube mir Erleichterung verschafft indem er meine Probleme in ihrer gesamten Bedeutsamkeit unwichtig erscheinen lässt missbrauche ich ihn. Meine Probleme verlieren für mich nicht wirklich an Bedeutung, ich habe lediglich eine imaginative Person gefunden die ich künstlich damit bewerfen kann. Vorwürfe erzeugen die Illusion einer kurzfristigen Erleichterung von Problemen, die aber nie ihre Auflösung bringen können, da man diese in sich selbst suchen und finden muss.
Und so bin ich angelangt an meinen heutigen Überlegungen dazu, was ich momentan als Gott betrachte.
Ironischerweise bewegt sich in meinem Leben momentan scheinbar sehr viel. Es wirkt nach dem heutigen Tag ganz so auf mich, als solle mir mein lebenslanges Problem tatsächlich so langsam zum Vorteil werden. Ich beginne zunehmend, es als eine Art Gabe aufzufassen. Ich mag andersartig denken als manch anderer. Nicht immer zweckdienlicher. Das ist sozusagen die Bürde, die mir damit auferlegt wurde. Und doch ist es mit einem Talent verbunden - ich komme auf Ideen, auf die sonst kaum jemand kommt, meine Stärke liegt in der Intuition, einem spontanen gefühlsbasierten Verständnis von Zusammenhängen. Etwas, dass ich lange Zeit quasi aktiv unterdrückt hatte indem ich mich an den rationalen Werkzeugen der Wissenschaft festhielt.
Ich habe momentan eine wirklich gute Idee. Ein Gespräch heute bestätigte mich darin, dass ich eventuell nicht ganz falsch in dieser Einschätzung liege und die Idee bedeutsam und wertvoll in Zukunft sein könnte. Diese Idee hängt untrennbar mit alldem zusammen, was mich lange Zeit unglücklich machte. Ich bin damit vorsichtig, vorschnell Hoffnungen zu machen - aus Angst darin enttäuscht zu werden. Trotzdem fühlt es sich ein bisschen an, als würden sich die Gegebenheiten fügen und alles seinen Sinn und Zweck erfüllen - und schon immer erfüllt haben.
Wer weiß - vielleicht bedeutet das für mich persönlich in Zukunft tatsächlich Erfolg? Vielleicht war mir bereits als Kind gegeben, was ich in meinen Gebeten versuchte einzufordern, meine menschliche Sichtweise jedoch zu kurzsichtig, dieses Prinzip in Gänze zu verstehen?
Was ist Gott?
Mir fällt spontan in diesem Zusammenhang ein Kommentar eines Freundes ein, der gläubig ist und dem ich von dem Kauf der Bibel erzählte. Er hatte irgendein philosophisch angehauchtes Persönlichkeitsbuch gelesen und sagte darin stehe etwas darüber, dass es eine weitere Ebene des Bewusstseins gebe, die oft vernachlässigt würde. Man müsse nicht an Gott glauben, jedoch an etwas. Neben dem Bewusstsein und Unterbewusstsein gebe es ein drittes - das Über-Bewusstsein. Das war alles was er mir sagte. Spontan vermutete ich, dass es irgendwie in Relation zum Begriff des "Über-Ich" steht, dass mir irgendwie in Zusammenhang mit Sigmund Freud bzw klassischer Psychologie im Kopf herumschwirrt. Ich wollte es immer schon mal nachschauen, habe es bis jetzt doch nicht.
Intuitiv meine ich trotz der wenigen Worte meines Freundes jedoch verstanden zu haben worauf er hinauswollte - und das ist im Endeffekt, das was ich ganz persönlich als meine momentane Interpretation von Gott bzw. dem Inhalt des Glaube ansehe:
Es ist das bombensichere Gefühl, dass die eigene Existenz einem übergeordneten Prinzip dient. Dass sie einen tieferen Sinn hat und der eigene Wahrnehmungsausschnitt lediglich zu klein ist, dieses übergeordnete Bewusstsein zu erlangen. Es ist die Ordnung im Chaos der Welt, die Prinzipien, die da sind ohne dass man sie jederzeit sehen oder verstehen kann. Der Grund und Sinn warum wir existieren. Die Relation von allem, das uns besorgt und beschäftigt - ein Gefühl, dass wir einem Schoß dieser Ordnung entstammen, in die wir zurückkehren werden. Es ist das Bewusstsein, dass alles was jetzt und hier passiert alleine den Zweck erfüllt, uns in diese gültige Ordnung an unseren Platz einzufügen. Parallelen dazu empfinde ich genauso in den Begriffen des Karmas, des Ying und Yang, des Nirvanas.
Das waren heute meine Gedanken dazu, was Gott sein könnte:
Gott ist überall, Gott hat uns erschaffen, nach seinem Abbild. Gott gibt uns Sicherheit und bietet Halt in der Not.
Früher hätte ich wie gesagt gefragt: Wer hat dann Gott erschaffen? Seit heute würde ich sagen: In gewisser Weise sind wir Gott. Die einzige Möglichkeit dieses Paradoxon aufzulösen ist, anzunehmen dass wir aus Gott entstehen und Gott gleichsam aus uns. Wir sind die Ordnung im Chaos, dem wissenschaftlich versierten mag die Anspielung darauf in meinem Namen bewusst geworden sein. Unsere Existenz begründet sich auf der Ordnung im Universum. Ich betrachte Gott als dieses höhere Ordnungsprinzip das uns aus dem Chaos Existenz verleiht, quasi erschafft. Gleichsam ist Gott das Prinzip, was uns mit den anderen Menschen verbindet, uns gleich macht, denselben Ursprung und Zweck verleiht. Gott ist weniger ein Wesen, mehr eine abstrakte Eigenschaft, untrennbar verbunden mit der Tatsache unserer Existenz. In Einklang mit Gott leben bedeutet nicht, Rituale durchzuführen, es bedeutet vor allem mit sich selbst im Einklang zu sein und das Bewusstsein zu haben, mit anderen Menschen denselben Weg zu gehen. Es ist die tiefliegende Verbindung zwischen jedem einzelnen Menschen und der Grund, warum jegliche Missgunst, jegliche Untat an anderen in seiner Essenz eine Manipulation an Gott, also in letzter Instanz auch an uns selbst bedeutet. Denn wir sind durch Gott untrennbar von anderem Leben verbunden. Jegliche Manipulation an uns selbst in Form der Benachteiligung anderer wird in letztendlicher Konsequenz in uns selbst ihre gerechte Ordnung finden - sei es dadurch, dass andere uns ebenfalls schlecht behandeln, sei es, dass wir uns nie zufrieden und glücklich fühlen werden. Letzteres mag für einen Außenstehenden nicht offensichtlich sein da wir nicht in die Emotionen anderer blicken können. Gott ist in meinen Augen die spirituelle Essenz unseres Seins in uns selbst, die Basis, warum wir jederzeit mit uns selbst glücklich sein können, egal was um uns herum geschieht. Die Abkehr von Gott bedeutet das Verlassen dieser Sicherheit gebenden Ordnung, die Verzweiflung und das Verlangen diese Ordnung aktiv zu gestalten um dann darin zu resignieren, wenn man doch in sie zurückgeworfen wird.
Keine Ahnung ob das jemand verstanden hat. Vielleicht fühlt ja jemand, was ich damit meine. Und das ist wohl auch der einzige sinnvolle Zugang dazu, wie gesagt.
Ein erschreckend langer Text geworden, wie vorausgesagt. Vielleicht brachte ja tatsächlich jemand die Geduld auf, alles zu lesen. Vielen Dank an dich, dass du meinen Ausführungen gefolgt bist. Vielleicht konnte ich dir etwas geben damit. Würde mich jedenfalls sehr freuen. Ich hatte das Bedürfnis das alles mal irgendwo niederzuschreiben. Ich wünsche euch alles Gute auf eurem ganz persönlichen Weg. In der Konsequenz aus obigen Überlegungen folgt, dass ich mir 100% sicher bin, dass ihr ihn alle irgendwann gehen werdet, früher oder später.