Das Ehrenfest'sche Paradoxon

Alles über die Relativitätstheorie

Moderatoren: Todoroff, Eser

Antworten
void
Verbannt
Beiträge: 228
Registriert: Montag 15. Januar 2007, 12:11

Beitrag von void »

Mileva hat geschrieben:Der Physiker Paul Ehrenfest hat jedoch bereits 1909 das obige Postulat wie folgt widerlegt: Wenn schnell bewegte Gegenstände tatsächlich gestaucht würden, müsste eine rotierende Scheibe immer kleiner werden und sich dabei verbiegen. Und bei Lichtgeschwindigkeit kann sie gar nicht mehr existieren.
Zunächst eine Präzisierung: Ehrenfests Gedankenexperiment ging von einer rotierenden starren Scheibe aus, bei der nach der RTh der Umfang, da er in "seine Richtung" bewegt ist, sich verkürzen müsste, der Radius, da er nur senkrecht zu "seiner Richtung" bewegt ist aber seine Länge beibehalten würde. Das ist offensichtlich paradox.
Allerdings werden hier erstens allerdings der ARTh, die auch der Radius erfährt, da es sich um ein bschleunigtes Bezugssystem handelt, vernachlässigt.
Die Lösung des Paradox hat Mileva bereits selber genannt: Die RTh ist auf perfekt starre Körper nicht anwendbar oder genauer: Sie können nicht existieren (nicht nur aufgrund dieses Paradoxons, auch aufgrund anderer, einfacherer Zusammenhänge).
Unter Vernachlässigung allgemeinrelativistischer Effekte (Die ich ehrlich gesagt gerade auch nicht überblicke) ist also davon auszugehen, dass in der Scheibe Spannungen auftreten und es schlussendlich zu einer Deformation der Scheibe kommt.
Thymian hat geschrieben:Das würde ja bedeuen, daß man so eine Scheibe nicht auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigen könnte?
Ja. Kann man auch nicht. Das ist auch eine der ganz allgemeinen Aussagen der RTh: Die zur Beschleunigung nötige Energie divergiert aufgrund der Massenzunahme für v -> c .
void
Verbannt
Beiträge: 228
Registriert: Montag 15. Januar 2007, 12:11

Beitrag von void »

Mileva hat geschrieben:Nun denn: Wir betrachten hier das Postulat der SRT, nämlich die speziell-relativistische Längenkontraktion. Und da ist das Ehrenfest'sche Paradoxon durchaus ein solches (für die SRT). Es handelt sich hierbei zunächst um ein Gedankenexperiment.

Ihr Argument mit den Beschleunigungen erscheint mir unlogisch: Experimente, die die SRT eindeutig widerlegen (wie z. B. das unten folgende), werden aufgrund der Beschleunigungen in den Versuchen nicht als Widerlegung anerkannt, die SRT wird auf diese als nicht anwendbar bezeichnet. Gleichzeitig aber soll die SRT durch zahlreiche Experimente/Beobachtungen bestätigt worden sein, in denen ebenfalls Beschleunigungen vorkamen (Atomuhrenexperimente, Myonen usw.). Wird hier nicht mit zweierlei Maß gemessen?
Ich wollte nur anmerken, dass noch zusätzliche speziellrelativistische Effekte aufgrund der Beschleunigung hinzukommen, dass die Art, wie man das Gedankenexperiment betrachtet also eine Vereinfachung darstellt. Mit der generellen Auflösung des Paradoxons hat dies erstmal nchts zu tun, es war lediglich ein Hinweis.
Mileva hat geschrieben:Ein Physiker machte in den 70er Jahren nämlich ein ganz reales Experiment: Er versetzte ein aus dünnen Stäben bestehendes Rad mehrere Wochen lang in schnelle Rotation und hat dieses mit Blitzlicht fotografiert.

Die Fotos sollten zeigen, dass das Rad nach den Voraussagen der RT tatsächlich gestaucht wird. Aber: Nichts ist geschehen. Die Längenkontraktion der SRT ist also offensichtlich falsch. Auch Ihre Aussage der Deformationen traf nicht ein.
Zu diesem Experiment hätte ich gerne mal die konkrete Veröffentlichung. Ich meine das Experiment wurde mal in der PM von Herrn Riposta beschrieben, leider völlig unzulänglich (Falls wir von demselben reden).
Seltsam erscheinen mir zwei Punkte:
- Wieso mehrere Wochen?
- viel wichtiger: Eine kurze Rechnung zeigt, dass die Winkelgeschwindigkeit, die benötigt wäre um den Umfang eines Rades mit 1m Radius um 0,000001m pro Meter Umfang zu verkürzen (Also gerademal 1/10000 Prozent) etwa w = 424000 1/s betrüge. Berechnet man hier die Zentrifugalbeschleunigung erhält man
a = r*w² = ~ 1,8 * 10^11 m/s², die etwa 1,8*10^10fache Erdbeschleunigung.
Jedes Rad würde dabei zerfetzt. Oder anders ausgedrückt, um die Beschleunigung auf ein erträgliches Maß von 100fache Erdbeschleunigung (immer noch enorm!) zu reduzieren, müsste der Radius des Rades bereits etwa 180000km betragen.
Und das ergibt sich schon für eine wirklich minimale prozentuale Reduktion des Umfanges.

Ich glaube, es hat einen Grund, warum man dieses Paradoxon i.A. als Gedankenexperiment behandelt. Soweit ich weiß, ist das Experiment auch nie in entsprechenden Fachzeitschriften veröffentlicht worden. Von einer Widerlegung der RTh kann absolut nicht die Rede sein.
Mileva hat geschrieben:Das ist hier eigentlich irrelevant, da dieses Gedankenexperiment auch ohne das Erreichen der exakten Lichtgeschwindigkeit ein Paradoxon ist.
Vermutlich nicht relevant, ja. Aber ehrlich gesagt sehe ich nicht, worin Ihrer Meinung nach das Paradoxon besteht. Für perfekt starre Körper, klar. Aber solche existieren nicht, insofern sehe ich kein Problem.


[edit: Noch eine kleine Rechnung zur experimentellen Lösung des Paradoxons:

Geht man von der Annahme aus, man lasse ein Rad mit 10m Radius mit 100000 Umdr./min rotieren (was zwar unrealistisch, aber so ziemlich das Extremste, was ich noch als "Labormaßstab" akzeptieren könnte), dann ergäbe sich daraus eine Längenänderung des Umfanges im Bereich von 1,5nm pro Meter. Es kann mir keiner erzählen, dass per Photo eine solch geringe Abweichung wirklich hätte gemessen werden können. Ganz abgesehen davon, dass hierbei die Zentrifugalbeschleunigung von ~3*10^7 m/s² aller Wahrscheinlichkeit nach das Rad zerlegt hätte.]
void
Verbannt
Beiträge: 228
Registriert: Montag 15. Januar 2007, 12:11

Beitrag von void »

Mileva hat geschrieben:Was Sie diesbzgl. vielleicht noch wissen sollten: Als Albert Einstein von Ehrenfest's Paradoxon erfuhr und wohl erkannte, dass dieser im Recht war, begann er, Ehrenfest zu bestechen, indem er ihm in Holland einen begehrten Lehrstuhl als Professor verschafft hatte.

Erst seitdem übte Ehrenfest keine Kritik mehr an Einstein. Und erst seitdem wird das Ehrenfest'sche Paradoxon in den Lehrbüchern der SRT nicht mehr erwähnt. Schon interessant, wie ich finde.
Die Geschichte ist mir bekannt. Das ist allerdings in keiner Hinsicht eine gesicherte Tatsache. So waren z.B. Einstein und Ehrenfest recht gut befreundet, die Beschaffung eines Lehrstuhles kann also auch durchaus andere, naheliegendere Gruende haben.
Als Gedankenexperiment stellt es ohnehin ein Paradoxon der SRT dar, wie erklärt (Radius, Umfang).
Das ist richtig, allerdings nur unter der Voraussetzung eines absolut starren Koerpers, der nicht existieren kann, somit waere es ein rein hypothetisches Paradoxon. Der absolut starre Koerper wird uebirgens unter anderem von der RTh widerlegt, somit macht es keinen Sinn zum Aufzeigen eines Paradoxons innerhalb der RTh etwas zu bemuehen, was von der RTh ausgeschlossen wird.
Denn die Längenkontraktion soll laut Physikern bereits zuvor wirksam werden, wodurch sich, wie beschrieben, das Paradoxon ergibt.
Die Lengenkontraktion ist fuer jede beliebige Geschwindigkeit existent, da haben Sie recht.
Wie schon erwaehnt sehe ich fuer nicht vollstaendig starre Koerper keine paradoxe Situation fuer Geschwindigkeiten kleiner c. Vielleicht koennten Sie nochmal erlautern worin genau fuer diesen Fall die paradoxe Situation besteht?
void
Verbannt
Beiträge: 228
Registriert: Montag 15. Januar 2007, 12:11

Beitrag von void »

Die Geschwindigkeit eines Körpers muss allerdings recht hoch sein, um diese nachweisen zu können? Mit dieser Begründung haben Sie jedenfalls die Widerlegung durch das von mir genannte Experiment abgelehnt.
Nein, da haben Sie mich missverstanden. Was ich mit meinen Anmerkungen zum Experiment sagen wollte ist, dass ich es für unmöglich halte, dass die (existente) Längenkontraktion in diesem Experiment überhaupt hätte gemessen werden können, da sie bei weiten zu klein gegenüber anderen Effekten ist und somit das negative Ergebnis des Experimentes aussagelos ist. Vereinfacht formuliert: Auch wenn es die Kontraktion gibt, hätte man sie in diesem Experiment nicht beobachten können, weswegen es keine Widerlegung darstellt.

Natürlich reicht es zur Widerlegung der Theorie, nachzuweisen, dass sie für kleine Geschwindigkeiten nicht stimmt. Dazu muss man dies aber auch wirklich NACHWEISEN. Meines Erachtens ist aus den von mir bereits genannten Gründen das beschriebene Experiment dazu absolut nicht geeignet. Dieses ist eher so, als würde ich das sensationelle Ergebnis einer Elementarladung von 1,0*10^-19 C statt 1,602...*10^-19 C publizieren, dabei aber vernachlässigen, dass mein Fehler bei 10^-18 C liegt.
Gehen wir im Gedankenexperiment aber zu Ihrem Vorteil zunächst einmal von einem starren Körper aus, der dann entsprechend schnell rotieren kann - dann lassen Sie das Paradoxon (Radius gleichbleibend, Umfang der Längenkontraktion unterliegend) also zu?
Ja. Eine solche Betrachtung des Experimentes ist allerdings nicht zulässig, da man nicht eine Theorie mit etwas prüfen kann, was die Theorie selber ausschließt. Solange Sie nicht vorher zeigen, dass starre Körper doch existieren können, können Sie diese nicht zur Widerlegung der SRTh heranziehen. Wenn Sie das allerdings zeigen können müssen Sie sich keine Gedanken über das Ehrenfest-Paradoxon machen, denn dann ist die SRTh eh schon widerlegt.
Warum die SRTh die Existenz eines perfekt starren Körpers ausschließt erkläre ich unten noch, hier nur eine kleine Anmerkung: Unter der Annahme, dass die SRTh stimmt folgt aus dem Ehrenfest-Paradoxon die Nichtexistenz starrer Körper. Das ist allerdings - zugegeben - ein wenig von hinten durch die Brust ins Auge argumentiert.
Und was wäre, wenn wir eine (starre oder nicht starre) Scheibe (im Gedankenexperiment) doch mit c rotieren ließen? Wie würden Sie es dann auflösen?
Keine Ahnung. Aber auch nur, weil ich mir nicht vorstellen kann wie irgendetwas auf Zweidimensionalität reduziert werden kann. Aber die Existenz des Paradoxons für v = c zeigt im Grunde nur wieder, dass man etwas nicht auf v = c beschleunigen kann.

Verstehen Sie was ich meine? Wenn das Paradoxon für alle v bestehen würde, wäre es eine Widerlegung der Theorie. Wenn es aber ausschließlich für v = c existiert ist es sogar eine Bestätigung, weil die SRTh explizit vorhersagt, dass sich für eine Beschleunigung auf Lichtgeschwindigkeit paradoxe Situationen ergeben und dass diese unmöglich ist.

Im übrigen ist die Behandlung des Paradoxons sehr schwer (nicht umsonst ist es eines der wenigen, die auch heute noch diskutiert werden und zu dem es noch heute verschiedene Lösungsansätze gibt). Ein Beispiel (abgesehen von der Dehnung durch zentrifugalkräfte, die ich glaube ich schon diskutiert hatte): Wenn sich aufgrund der SRTh der umfang reduziert, wird die Scheibe gestacuht, dadurch reduziert sich der Radius, weswegen sich wiederum die Geschwindigkeit reduziert etc. . Der genaue, nicht bloß qualitative Gesamteffekt ist nicht leicht abzuschätzen. Einer der Gründe warum ich dieses Paradoxon sehr interessant finde. Aber das nur am Rande.
"Der absolut starre Koerper wird uebirgens unter anderem von der RTh widerlegt."
Von der SRT? Wie?
Man stelle sich einen perfekt starren Stab vor. Schlage ich an einem Ende gegen diesen Stab, so wäre die daraus resultierende Bewegung des Stabes instantan am anderen Ende des Stabes zu spüren, also schneller als wenn sich diese Bewegung mit c ausbreiten würde. Dies widerspricht aber der SRTh, da sich aus dieser c als obere Grenze für Informationsübertragung ergibt.

Mit nicht-starren Körpern hat man dieses Problem nicht, diese werden nämlich zunächst deformiert und diese Deformation bewegt sich mit Schallgeschwindigkeit durch den Stab bis zum anderen Ende, d.h. der Informationsaustausch erfolgt sehr viel langsamer als mit c.
Antworten