Eser hat geschrieben:
Zur Evolution:
- Wir wollen die Evolution vernichten, ausrotten, weil sie eine Lüge ist.
- Evolution ist Menschenverachtend, weil der Mensch zur zufällig und ziellose entwickelten Maschine degradiert.
- Evolution an sich, also Entwicklung, wurde nie beobachtet, nur angebliche Zustände der Evolution, die mit anderen angeblichen Zuständen verglichen werden (Differenz).
Ich habe den Eindruck, hier wird eine ganze Menge durcheinander geworfen, darum möchte ich mal folgendes klarstellen:
Evolution ist definiert als die Veränderung des Genpools einer Population mit der Zeit. Dies wurde im Kleinen schon häufig beobachtet. Z.B. gibt es das vielzitierte Beispiel des Birkenspanners (Biston bitularia) im England des 19. Jahrhunderts. Von diesen gibt es helle und dunkle Varianten. H. B. D. Kettlewell beobachtete, dass bis 1848 die dunklen Birkenspanner weniger als 2 % der Population ausmachten, aber ihre Häufigkeit immer mehr zunahm. 1898 waren 95 % der Motten in Manchester und anderen industrialisierten Gebieten dunkel. In ländlichen Gebieten waren dunkle Motten weniger häufig. Die Farbe dieser Motten wird überwiegend von einem einzelnen Gen bestimmt. Es hat also in dieser Zeit eine Veränderung im Genpool stattgefunden, die Genvariante, die die dunkle Farbe bewirkt, ist die vorherrschende geworden.
Dies ist, per definitionem, Evolution.
Der Anstieg in der Häufigkeit der dunklen Birkenspanner war Folge von
natürlicher Selektion. Das späte 19. Jahrhundert war die Zeit der industriellen Revolution in England. Der Ruß aus den Fabrikschornsteinen hat sich (u.a.) auf den Birken abgesetzt und ihre Rinde geschwärzt. Auf der dunklen Rinde waren helle Birkenspanner viel besser zu sehen als dunkle und wurden daher häufiger von Vögeln gefressen. D.h. dunkle Birkenspanner erreichten eher das fortpflanzungsfähige Alter. Die größere Anzahl Nachkommen der dunklen Birkenspanner hat über die Zeit die Veränderung im Genpool bewirkt.
Um zu verstehen, was Evolution ist, muss man zwischen dem Individuum und der Population unterscheiden.
Das Individuum ist der natürlichen Selektion unterworfen. Die Population als Ganzes entwickelt sich (die Zusammensetzung des Genpools ändert sich). Um beim Birkenspannerbeispiel zu bleiben: die Häufigkeit von dunklen Birkenspannern ist mit der Zeit angestiegen, nicht die gesamte Population von einen Tag auf den anderen von hell nach dunkel gewechselt.
Evolution bedeutet nicht zwangsläufig Fortschritt. Es findet lediglich eine Anpassung der Populationen an die herrschenden Umweltbedingungen statt. Es muss nicht notwendigerweise mit der Zeit zu einer Verbesserung im absoluten Sinne kommen. Eine Eigenschaft oder Strategie, die zu einem Zeitpunkt vorteilhaft ist, kann zu einer anderen Zeit von Nachteil sein (wieder siehe Birkenspanner: solange die Birkenrinde hell war, war die helle Farbe Tarnung und dadurch vorherrschend, die Rußablagerungen haben die Rinde dunkel gefärbt, dadurch wurde die helle Farbe zu einem Nachteil).
Dass es durch Auslese zu einer Veränderung des Genpools kommt, kann man tatsächlich wunderbar an der Züchtung von Hunden (oder anderen Haustieren) verfolgen. Alle heutigen Hunderassen gehen auf den Wolf zurück. Sie sind aber vom Aussehen, dass wiederum von ihren Genen bestimmt wird, sehr unterschiedlich, sowohl untereinander als auch zum Wolf. Durch eine Auslese von einzelnen Individuen (nur diesen wurde die Reproduktion erlaubt), die die erwünschten Eigenschaften aufwiesen (im Rahmen der natürlichen Varianz), wurde nach und nach die Häufigkeit der diese Eigenschaften bedingenden Gene in dem Genpool erhöht. In diesem Fall ist die Selektion von Menschen gemacht.
Aber es ist kein weiter Schritt zur natürlichen Selektion. Bei gleich bleibender Umwelt werden Individuen, die innerhalb der natürlichen Varianz oder aufgrund neu aufgetretener Mutationen nicht so gut an diese Umweltbedingungen angepasst sind, "aussortiert", d.h. sie kommen nicht oder seltener zur Fortpflanzung
(negative Selektion). Individuen, die besser an diese Bedingungen angepasst sind, haben einen höheren Reproduktionserfolg. Ihre Gene werden häufiger weitergegeben, d.h. die Genvarianten, die diese Individuen aufweisen, werden einen größeren Anteil am Genpool der Population aufweisen
(positive Selektion).
Die Evolutionstheorie postuliert nun, dass auf diese Weise neue Arten entstanden sind. Angehörige einer Art wurden voneinander getrennt und bildeten zwei unabhängige Populationen (d.h. eine Fortpflanzung von Angehörigen der einen Population mit Angehörigen der zweiten Population findet nicht statt). Wenn sich die Umweltbedingungen in dem Gebiet der einen Population dauerhaft ändert, im Gebiet der anderen Population aber nicht, werden sich die Populationen unterschiedlich entwickeln, d.h. die Häufigkeit einzelner Gene im Genpool wird in den beiden Populationen unterschiedlich sein. In beiden Populationen werden Mutationen auftreten, die in der jeweils anderen Population nicht auftreten. Wenn Träger dieser Mutation einen hohen Reproduktionserfolg haben, wird sich die Häufigkeit dieser Mutation (der neuen Genvariante) im Genpool erhöhen. Andere Gene werden immer seltener, weil seltener weitergegeben und verschwinden ganz aus dem Genpool, vielleicht wiederum nur in der einen Population, aber nicht in der anderen. Über die Jahrtausende kann sich durch diese Mechanismen aus der ursprünlich einen Population zwei Populationen mit derartig unterschiedlichem Genpool herausbilden, dass sie sich nicht mehr miteinander fortpflanzen können. Es haben sich zwei voneinander unterschiedliche Arten gebildet.
Evolution (die Veränderung des Genpools einer Population über die Zeit)
ist beobachtbar und damit ein Fakt. Die Evolutionstheorie (die Arten haben sich durch Evolution entwickelt) ist nicht beweisbar, aber man kann anhand ihrer Voraussagen treffen und diese überprüfen. Die Evolutionstheorie sagt, es hat eine Entwicklung von Arten gegeben. Daraus folgt, dass es zu verschiedenen Zeiten unterschiedliche Arten gegeben haben muss, ich sollte also in Erdschichten, die zu unterschiedlichen Zeiten entstanden sind, auch Fossilien von unterschiedlichen Tieren und Pflanzen finden und dabei sollte ich eine zeitliche Abfolge erkennen können. Dies ist an sehr, sehr vielen Beispielen gezeigt und noch durch nichts widerlegt. Der Kern der Evolutionstheorie (die Arten haben sich durch Evolution entwickelt) ist mittlerweile so gesichert, dass man einen ganzen Berg von Belegen ignorieren muss, zweifelt man sie an. Dass morgen die Sonne wieder aufgeht, kann ich auch nicht letztendlich beweisen, aber es ist doch sehr, sehr wahrscheinlich.